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DER GOTT DES GEMETZELS

von Yasmina Reza

Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel
Premiere 30. April 2008, Theater Bonn
Mit Birte Schrein, Susanne Bredehöft, Günter Alt, Stefan Preiss
Bühne Gesine Kuhn
Kostüme Uta Heiseke
Licht Max Karbe
Dramaturgie Monika Madert/Lothar Kittstein

Fotos: Thilo Beu

PRESSESTIMMEN:

Das ganze Leben im Handy
Jennifer Whigham inszeniert Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels in der Halle Beuel – Wunderbare Boulevard-Tragikomödie
Ein Tisch so groß wie eine Rampe stehet in der Halle Beuel. Das Möbelstück, das die Bühnenbildnerin Gesine Kuhn ins Zentrum der Inszenierung von Yasmina Rezas Erfolgsstück „Der Gott des Gemetzels gestellt hat, passt genau.
…Die junge Regisseurin Jennifer Whigham beweist ein gutes Gespür für alle Facetten des Stückes. Sie hat alles im Blick: die Komik, die Abgründe, Menschen in all ihrer schockierenden, aber irgendwie auch verständlichen Erbärmlichkeit.
… Whigham und ihre fabelhaften Schauspieler verwöhnen das Publikum mit Pointen und Bonmots. Die Premierengäste feuerten Lachsalven ab. Und kamen in Grübeln. Denn Stück und Regie halten uns den Spiegel vor. Jeder kann für sich ermessen, wie fern – oder nah – er den Personen auf der Bühne ist.
… Es gehört zu den Vorzügen des Stücks, dass es seine Figuren beobachtet und nicht verurteilt. Dafür ist Yasmina Reza zu klug. Jennifer Whigham macht sich diese Perspektive zu eigen. Was sie zeigt, ist furchtbar lustig, böse, grausam und grostesk. Aber Whigham gibt die Menschen auf der Bühne nicht der Lächerlichkeit preis, im Gegenteil, sie nimmt sie ernst. Vielleicht mag sie sie sogar.
General Anzeiger, 2.5.2008, Dietmar Kanthak

… In der Inszenierung von Jennifer Whigham, die sich am Haus von einer Regieassistentin hochgearbeitet hat, waltet eine gewisse Contenance … Auch die Bühne von Gesine Kuhn, von einem überdimensionalen Tisch mit Sitzgruppe beherrscht, stellt zunächst eine gewisse Nüchternheit her. Doch da hinein setzt Jennifer Whigham ihre inszenatorischen Akzente mit sicherem Blick für situationsgenaue Wirkungen.
THEATER PUR, Juni 2008, Christoph Zimmermann

Krieg und Frieden im Wohnzimmer

Yasmina Rezas Theater-Hit „Der Gott des Gemetzels“
in Bonn trefflich gespielt

ape. Bonn. Langer Premierenbeifall in der Halle Beuel des Theaters Bonn für Jennifer Whighams Inszenierung von „Der Gott des Gemetzels“. Seit der Züricher Uraufführung 2006 von mehr als 60 Theater übernommen, ist Yasmina Rezas kleiner Einakter das derzeit meistgespielte Gegenwartsstück. In der Umgebung steht es aktuell auch in Köln und Wiesbaden auf dem Spielplan.

Vorgeführt wird die Begegnung zweier Ehepaare, deren Buben aneinander geraten sind. Dabei hat der Sohn der Reilles dem der Houillés zwei Zähne ausgeschlagen. Nun sitzen die Eltern im Houille’schen Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen, nachher bei reichlich Schnaps zusammen, um den Konflikt auf zivilisierte Weise beizulegen. Man redet, lächelt sich in Bonn über die weite Distanz zu, die im Bühnenbild von Gesine Kuhn ein ungeheurer Couchtisch von der Größe dreier Tischtennisplatten schafft.

In diesem Quartett mimt Birte Schrein als Veronique Houillé die Gutmenschin, die einerseits auf der Opferrolle ihres Sohnes beharrt, andererseits mit pädagogischem Sendungsbewusstein jedermann ungefragt ins Gewissen redet. Günter Alt gibt deren Gatten erst als gemütlichen, nachher entnervt explodierenden Zeitgenossen. Bei den Reilles spielt Susanne Bredehöft eine weinerlich-verbrauchte Bürgersgattin, die buchstäblich das Kotzen kriegt, weil ihr Alain (Stefan Preiss als zynischer Geschäftsmann) inmitten der Aussprache ständig per Handy versucht, die Vertuschung eines Pharmaskandals zu managen.

Da wird reihum trefflich gespielt, werden Zwischentöne wie Eruptionen zu einem Stück aus dem ganz normalen Tollhaus verwoben. Die Bonner Inszenierung hat einen etwas eigensinnigen Rhythmus: Anders als etwa in Wiesbaden entwickelt sie keine kontinuierlich fortschreitende Eskalation, sondern einen auf- und abschwellenden Bocksgesang: Die Schlacht scheint mehrfach beendet, bricht unerwartet doch wieder aus.

Damit verschenkt die Regie zwar Möglichkeiten atmosphärischen Furors, gewinnt indes Spielräume für ein anderes dem Stück innewohnendes Phänomen: einen bewusst boshaften Schwebezustand zwischen ernster Psychotragödie und schier boulevardesker Persiflage derselben. Sehenswert.
2008-05-01 Schauspielkritik, Andreas Pecht

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